In einem aktuellen Fall hat das Team der Kanzlei HNG Natalello aus Mainz bestehend aus Rechtsanwalt Dr. Natalello und Rechtsanwältin Sinem Tükek einen Wiesbadener Unternehmer bei einer Finanzierung durch ein Wandeldarlehen beraten. Hintergrund des Wandeldarlehens, ist die zur Verfügung Stellung von Kapital in einem relativ frühen Gründungsstadiums, welches zu einem späteren Zeitpunkt (einer Finanzierungsrunde durch einen weiteren Investor) in Gesellschaftsanteile gewandelt werden soll.
Das Wandeldarlehen ist dabei eine von vielen möglichen Finanzierungsmodellen. Unternehmen aus Mainz, Wiesbaden und Umgebung treten daher immer wieder an die Kanzlei heran um Finanzierungsüberlegen zu erörtern und die Kanzlei mit der Vertragsgestaltung und/oder Vertragsverhandlung zu beauftragen. Da Rechtsanwalt Dr. Natalello studien- und promotionsbegleitend sowohl im Investment Banking (Corporate Finance), aber auch im Bereich strukturierte Finanzierungen der Rechtsabteilung der Commerzbank AG arbeitete, hat er vertiefte Kenntnisse in dem Bereich und berät Unternehmer daher in dem Zusammenhang nicht nur als reiner Rechtsberater, sondern auch als strategischer Berater.
Mit dem nachfolgenden Blogbeitrag sollen daher einige typische Finanzierungsregeln dargestellt werden.
Die Finanzierung eines Unternehmens ist längst nicht mehr nur eine betriebswirtschaftliche Frage. Sie entscheidet darüber, ob ein Geschäftsmodell tragfähig ist, ob Investitionen rechtssicher umgesetzt werden können – und im Krisenfall, ob Geschäftsleiterhaftung, Bankenkündigungen oder gar Insolvenzantragspflichten drohen. In unserer Beratungspraxis bei HNG Natalello (Standorte Mainz und Alzey) erleben wir immer wieder, dass Finanzierungsentscheidungen mit erheblichen rechtlichen Risiken verbunden sind, wenn sie nicht sauber geplant und dokumentiert werden.
Der folgende Beitrag gibt einen vertieften Überblick über klassische Finanzierungsregeln, den sogenannten „optimalen Verschuldungsgrad“, die Ermittlung des Kapitalbedarfs sowie die wichtigsten Finanzierungsinstrumente und Kreditsicherheiten. Zugleich wird deutlich, an welchen Stellen rechtliche Beratung – insbesondere im Gesellschafts- und Bankrecht – sinnvoll und notwendig ist.
Bekannt ist unter anderem die „goldene Bilanzregel“. Diese besagt, dass die Dauer der Kapitalüberlassung größer oder gleich der Kapitalbindungsdauer des Vermögens sein soll.
Vereinfacht ausgedrückt soll nach der goldenen Bilanzregel langfristig dem Unternehmen dienendes Vermögen auch langfristig finanziert werden. Diese „Regel“ kann dabei unterstützen, die Liquidität des Unternehmens zu sichern, ist aber nicht Garant dafür, da zu viele Unwägbarkeiten zu berücksichtigen sind. Aus der „goldenen Bilanzregel“ ist ebenfalls abzuleiten, dass unter dem Aspekt der Fristenkongruenz langfristiges (Anlage-)Vermögen stets mit Eigenkapital oder zusätzlich mit langfristig überlassenem Fremdkapital finanziert werden sollte, während kurzfristiges (Umlauf-)Vermögen mit kurzfristigen Finanzierungsmitteln bedient werden kann.
Ansonsten kann zwischen horizontale und vertikalen Finanzierungsregeln unterschieden werden.
Horizontale und vertikale Finanzierungsregeln
Horizontale Finanzierungsregeln: Struktur der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten
Horizontale Finanzierungsregeln stellen Relationen zwischen einzelnen Vermögens- und Kapitalposten her. Sie knüpfen typischerweise an Bilanzstrukturen an und sollen einen ersten Eindruck von der Liquiditäts- und Stabilitätslage eines Unternehmens vermitteln.
Ein klassisches Beispiel ist die Relation zwischen Umlaufvermögen und kurzfristigen Verbindlichkeiten. Als grobe Faustregel gilt: Das Umlaufvermögen sollte die kurzfristigen Verbindlichkeiten nicht nur knapp, sondern deutlich decken – umgekehrt sollte es diese aber auch nicht in einem übermäßigen Umfang „übersteigen“, weil dies auf überhöhte Lagerbestände, zu hohe Forderungsbestände oder ineffiziente Kapitalbindung hinweisen kann. In der Praxis wird häufig darauf geachtet, dass kurzfristige Schulden durch kurzfristig liquidierbare Vermögenswerte eingespielt werden können und der Liquiditätspuffer nicht zu knapp bemessen ist.
Aus rechtlicher Sicht spielt diese Struktur insbesondere dann eine Rolle, wenn es um Liquiditätsprognosen, Covenant-Tests in Kreditverträgen oder die Prüfung eines Insolvenzgrundes (Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit) geht. Geschäftsführer und Vorstände sind verpflichtet, die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens fortlaufend zu überwachen. Horizontale Finanzierungskennzahlen liefern hierfür wichtige Signale.
Vertikale Finanzierungsregeln: Eigenkapitalquote und Verschuldungsgrad
Vertikale Finanzierungsregeln knüpfen an die Kapitalstruktur eines Unternehmens an, also an das Verhältnis von Eigenkapital und Fremdkapital. Ein häufig verwendeter Richtwert: Die Eigenkapitalquote – also der Anteil des Eigenkapitals am Gesamtkapital – sollte nicht unter etwa einem Drittel liegen. Es handelt sich hierbei ausdrücklich um keine starre rechtliche Vorgabe, sondern um eine betriebswirtschaftliche Orientierungsgröße.
Die Eigenkapitalausstattung ist aus mehreren Gründen zentral:
- Schutzfunktion: Eigenkapital dient als „Puffer“ für Verluste. Je höher der Eigenkapitalanteil, desto mehr Verluste kann ein Unternehmen verkraften, ohne bilanziell überschuldet zu sein.
- Signalwirkung für Banken und Gläubiger: Ein hoher Eigenkapitalanteil verbessert das Rating, erleichtert Kreditverhandlungen und führt häufig zu günstigeren Konditionen. Banken betrachten die Eigenkapitalquote im Rahmen der Kreditwürdigkeitsprüfung (Stichwort: Basel II, Basel III, Basel IV).
- Liquiditätsentlastung: Eigenkapital ist nicht mit laufenden Zinszahlungen verbunden. Es entstehen keine regelmäßigen Liquiditätsabflüsse, die in Krisensituationen besonders belastend sein können.
- Verhandlungsmacht: Unternehmen mit schwacher Eigenkapitalbasis müssen Banken häufig weitgehende Sicherheiten, Covenants oder Mitspracherechte einräumen – bis hin zu Informations- und Zustimmungsvorbehalten bei wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen.
Umgekehrt führt eine sehr geringe Eigenkapitalausstattung regelmäßig dazu, dass Kredite nur bei Stellung umfangreicher Sicherheiten gewährt werden – oder gar nicht mehr. Die Eigenkapitalausstattung ist daher stets auch Gegenstand rechtlicher Beratung, wenn es um Gesellschafterbeschlüsse zur Kapitalerhöhung, Rangrücktrittsvereinbarungen, Mezzanine-Finanzierungen oder Sanierungskonzepte geht.
Grenzen starrer Finanzierungsregeln
Horizontale und vertikale Finanzierungsregeln sind nützliche Orientierungen, aber sie sind „starr“. Sie reagieren nur unzureichend auf Veränderungen des Geschäftsmodells, auf Wachstumsschübe, Restrukturierungen oder Krisen. Eine starre Quote ersetzt keine individuelle Planung.
In der Praxis muss stets geprüft werden:
- Wie entwickelt sich das Geschäftsmodell (z. B. verstärkt projektorientiert, mehr Vorfinanzierung, längere Zahlungsziele)?
- Welche Covenants sind in bestehenden Kreditverträgen vereinbart?
- Gibt es bereits rechtliche Restriktionen (z. B. Ausschüttungssperren, Rangrücktritte, Sanierungsvereinbarungen)?
Hier setzt eine integrierte finanzielle und rechtliche Beratung an: Zahlen allein reichen nicht aus; entscheidend ist die rechtssichere Ausgestaltung der Finanzierung.
Optimaler Verschuldungsgrad und Leverage-Effekt
Funktionsweise des Leverage-Effekts
Der Verschuldungsgrad beschreibt das Verhältnis von Fremdkapital zu Eigenkapital. Dieses Verhältnis beeinflusst unmittelbar die Eigenkapitalrendite. Der bekannte „Leverage-Effekt“ besagt: Wenn die Rendite auf das eingesetzte Kapital höher ist als der Zinssatz für Fremdkapital, kann durch zusätzliche Verschuldung die Eigenkapitalrendite gesteigert werden.
Vereinfacht dargestellt:
- Das Unternehmensvermögen erwirtschaftet eine Verzinsung (z. B. 10 %).
- Fremdkapital steht zu einem niedrigeren Zinssatz zur Verfügung (z. B. 5 %).
- Wird Fremdkapital aufgenommen, um zusätzliche Investitionen zu finanzieren, und erwirtschaften diese Investitionen weiterhin 10 %, verbleibt nach Zahlung der Zinsen ein höherer Gewinn, der auf dasselbe Eigenkapital entfällt – die Eigenkapitalrendite steigt.
Aus rein finanzmathematischer Sicht spricht vieles dafür, den Eigenkapitalanteil nicht „unnötig“ hoch zu halten und Fremdkapital zur Renditesteigerung einzusetzen.
Risiken in der Praxis
In der Unternehmensrealität sind die Voraussetzungen des Lehrbuch-Leverage-Effekts jedoch selten stabil:
- Die Rendite zusätzlicher Investitionen nimmt häufig ab, je stärker das Unternehmen expandiert.
- Banken gewähren bei steigender Verschuldung Kredite nur zu höheren Zinssätzen oder knüpfen sie an strengere Sicherheiten und Covenants.
- Die Ertragslage ist nicht sicher prognostizierbar; es bestehen Markt-, Branchen- und Unternehmensrisiken.
Juristisch besonders relevant: Die Fremdkapitallast ist unabhängig von der Ertragslage des Unternehmens zu bedienen. Zins- und Tilgungszahlungen sind vertraglich geschuldet – selbst dann, wenn das operative Geschäft temporär schwächelt. Dies kann sehr schnell zu Liquiditätsengpässen, Verletzung von Covenants und im Extremfall zu Insolvenzantragspflichten führen.
Der „theoretisch optimale“ Verschuldungsgrad – also der Punkt, an dem der Zins für das zuletzt aufgenommene Fremdkapital exakt der Rendite des Unternehmensvermögens entspricht – lässt sich in der Praxis nur grob schätzen. Aus unserer Sicht als beratende Kanzlei ist daher eine vorsichtige, szenariobasierte Betrachtung geboten, die auch Worst-Case-Situationen rechtlich durchdenkt (z. B. Auswirkungen auf Geschäftsführerhaftung, Kündigungsrechte der Banken, Rangverhältnisse von Forderungen und Sicherheiten).
Kapitalbedarf und integrierte Finanzplanung
Ermittlung des Kapitalbedarfs: mehr als nur eine Zahl
Der Kapitalbedarf eines Unternehmens ergibt sich im Kern aus der Summe aller geplanten Auszahlungen abzüglich der geplanten Einzahlungen. Typische Anlässe für eine systematische Kapitalbedarfsplanung sind:
- Unternehmensgründung,
- größere Investitionsvorhaben,
- Wachstumsphasen,
- Restrukturierungen oder Sanierungen.
Ziel ist es, die Unternehmensliquidität jederzeit sicherzustellen und rechtzeitig Finanzierungsmöglichkeiten zu identifizieren – bevor eine kritische Unterdeckung eintritt, die im Extremfall insolvenzrechtlich relevant wird.
Der Finanzplan als Steuerungsinstrument
Zentrales Instrument ist der Finanzplan, häufig als Liquiditätsplanung bezeichnet. Er stellt zukünftige Ein- und Auszahlungen periodisiert gegenüber (monatlich, vierteljährlich, jährlich) und zeigt:
- Wann wird Liquidität aufgebaut?
- Wann entstehen Finanzierungslücken?
- Reicht der eingeräumte Kontokorrentkredit aus oder ist zusätzliches Kapital erforderlich?
Ein moderner, integrierter Finanzplan beschränkt sich allerdings nicht auf die reine Liquiditätsbetrachtung. Er umfasst idealerweise drei Ebenen:
- Liquiditätsplanung (Ein- und Auszahlungen),
- Rentabilitätsplanung (Plan-Gewinn- und Verlustrechnung; Aufwendungen und Erträge),
- Bilanzplanung (Vermeidung bilanzieller Überschuldung, Einhaltung von Eigenkapitalquoten, Covenants etc.).
Gerade bei der Prüfung von Insolvenztatbeständen (Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung) ist diese integrierte Sicht entscheidend. Ein Unternehmen kann rentabel arbeiten und dennoch illiquide werden, wenn Zahlungsströme zeitlich ungünstig verteilt sind. Umgekehrt kann eine ausreichende Liquidität bei zugleich aufgebrauchtem Eigenkapital zu einer bilanziellen Überschuldung führen. Beides hat unmittelbare rechtliche Konsequenzen für Geschäftsleiter und Gesellschafter.
Kapitalbedarf für Anlagevermögen: Investitionsrechnung
Der Kapitalbedarf für das Anlagevermögen (Maschinen, Immobilien, IT-Infrastruktur etc.) wird mit Hilfe von Investitionsrechnungsverfahren geplant. Betriebswirtschaftlich wird dabei zwischen statischen (einperiodischen) und dynamischen (mehrperiodischen) Verfahren unterschieden:
- Statische Verfahren (Kostenvergleich, Gewinnvergleich, Rentabilitätsrechnung, Amortisationsrechnung) bieten eine relativ einfache, überschlägige Betrachtung.
- Dynamische Verfahren (Kapitalwertmethode, Annuitätenmethode, interner Zinsfuß) berücksichtigen Zahlungsströme über mehrere Perioden und diskontieren sie auf den Entscheidungszeitpunkt.
Rechtlich sind diese Verfahren insbesondere relevant, wenn Investitionsentscheidungen dokumentiert und gegenüber Gesellschaftern oder Aufsichtsorganen begründet werden müssen – etwa zur Vermeidung von Vorwürfen einer pflichtwidrigen Geschäftsführung oder im Rahmen von Organhaftungsverfahren. Eine nachvollziehbare Investitionsrechnung ist Teil einer „Business Judgement Rule“-konformen Entscheidungsvorbereitung.
Kapitalbedarf Umlaufvermögen: Working Capital
Das Umlaufvermögen (Warenbestände, Rohstoffe, Forderungen aus Lieferungen und Leistungen) führt regelmäßig dazu, dass Auszahlungen und Einzahlungen zeitlich auseinanderfallen. Typische Effekte:
- Waren liegen zunächst im Lager.
- Rohstoffe werden erst zu Produkten verarbeitet, bevor Umsätze generiert werden.
- Zahlungsziele für Kunden liegen deutlich nach Lieferung oder Leistungserbringung.
Diese Kapitalbindung im Umlaufvermögen ist oft unterschätzt, aber gerade in Wachstumsphasen kritisch. Sie muss detailliert geplant und überwacht werden, damit kein verdeckter Liquiditätsengpass entsteht. In der Beratungspraxis lässt sich hier häufig durch Vertragsgestaltung (Zahlungsziele, Skontoregelungen, Eigentumsvorbehalte) und durch Strukturierung der Finanzierung (z. B. Kontokorrent, Factoring, Lagerfinanzierung) viel gestalten.
Business-Plan als Kommunikations- und Verhandlungsgrundlage
Für komplexere Vorhaben reicht ein einfacher Finanzplan nicht aus. Hier ist ein Business-Plan das geeignete Instrument. Er integriert:
- Finanz-, Ertrags- und Bilanzplanung,
- Markt- und Wettbewerbsanalyse,
- Unternehmensstrategie und Produktlebenszyklen,
- konkrete Maßnahmen- und Investitionsplanung.
Banken, Investoren und öffentliche Förderinstitutionen verlangen regelmäßig einen tragfähigen Business-Plan als Grundlage für Kredit- und Beteiligungsentscheidungen. Aus rechtlicher Sicht ist der Business-Plan zugleich ein Dokument, das im Streitfall (z. B. bei Haftungsprozessen, bei Auseinandersetzungen mit Gesellschaftern oder bei Sanierungsverhandlungen) von erheblicher Bedeutung sein kann. Er sollte daher sorgfältig erstellt und rechtlich „sauber“ formuliert werden.
Deckung des Kapitalbedarfs: Eigenkapital, Innenfinanzierung, Fremdkapital
Eigenkapital je nach Rechtsform
Je nach Rechtsform stehen unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung, Eigenkapital zuzuführen:
- Einzelunternehmen: Der Unternehmer bringt das Eigenkapital allein auf und haftet unbeschränkt mit seinem Privatvermögen. Kapitalerhöhungen erfolgen durch zusätzliche Einlagen.
- Offene Handelsgesellschaft (OHG): Mehrere Gesellschafter bringen Kapital ein und haften persönlich und gesamtschuldnerisch. Eigenkapitalzuführung erfolgt durch weitere Einlagen oder Aufnahme neuer Gesellschafter.
- Kommanditgesellschaft (KG): Komplementäre haften unbeschränkt, Kommanditisten grundsätzlich beschränkt auf ihre Einlage. Eigenkapital kommt von beiden Gruppen, mit unterschiedlicher Haftungsstruktur.
- GmbH / UG (haftungsbeschränkt): Stammkapital bzw. Stammkapital der UG und ggf. Nachschüsse der Gesellschafter bilden das Eigenkapital. Vor Eintragung haften die Gesellschafter persönlich; danach ist die Haftung grundsätzlich auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt.
- AG: Eigenkapital wird durch gezeichnetes Kapital (Aktien) und Rücklagen gebildet. Kapitalerhöhungen erfolgen durch Ausgabe neuer Aktien.
- Genossenschaft: Eigenkapital besteht aus den Geschäftsanteilen der Mitglieder.
Die Wahl der Rechtsform und die Ausgestaltung von Eigenkapitalmaßnahmen (z. B. Sacheinlagen, verdeckte Einlagen, Gesellschafterdarlehen mit Rangrücktritt) sind klassische Schnittstellen zwischen Gesellschaftsrecht, Steuerrecht und Bankrecht – ein Kernbereich unserer Beratung.
Innenfinanzierung: Finanzierung „aus sich selbst heraus“
Innenfinanzierung bedeutet, dass das Unternehmen aus eigener Geschäftstätigkeit Mittel generiert:
- Selbstfinanzierung durch einbehaltene Gewinne (offen über Gewinnrücklagen oder verdeckt durch stille Reserven),
- Finanzierung aus Rückstellungen, die bis zur Inanspruchnahme Liquidität im Unternehmen belassen und steuerliche Stundungseffekte haben,
- Finanzierung aus Abschreibungen, wenn erwirtschaftete Erlöse die Abschreibungen decken und so Mittel zur Neu- oder Ersatzinvestition freisetzen (Kapitalfreisetzungs- und ggf. Kapazitätserweiterungseffekt),
- Umfinanzierungen durch Verkauf nicht betriebsnotwendiger Vermögensgegenstände,
- Sale-and-lease-back von betriebsnotwendigen Gütern,
- Rationalisierung und Kosteneinsparungen.
Rechtlich relevant ist dabei insbesondere, dass Selbstfinanzierung aus versteuerten Gewinnen erfolgt, während Fremdkapitalzinsen gewinnmindernd wirken. Zudem können stille Reserven Bilanzkennzahlen verzerren. In Gesellschafterstreitigkeiten, bei Unternehmensbewertungen oder im Rahmen von Due-Diligence-Prüfungen sind solche Effekte regelmäßig Gegenstand intensiver Diskussionen.
Außenfinanzierung: Beteiligungs- und Kreditfinanzierung
Bei der Außenfinanzierung werden Mittel von außen zugeführt:
- Beteiligungsfinanzierung: Aufnahme neuer Gesellschafter oder Ausgabe neuer Anteile; rechtlich sind hier Gesellschaftsverträge, Gesellschaftervereinbarungen, Verwässerungsschutz, Mitverkaufsrechte etc. zu gestalten.
- Kreditfinanzierung:
- Kundenkredite (An- und Vorauszahlungen),
- Lieferantenkredite (Zahlungsziele, Skontoregelungen),
- Bankkredite (Kontokorrent, Avalkredit, Wechselkredit, Lombardkredit, Darlehen mit unterschiedlicher Tilgungsstruktur),
- Factoring zur Liquiditätsgenerierung aus Forderungen.
Hinzu kommen Mezzanine-Finanzierungen (z. B. nachrangige Darlehen, stille Beteiligungen), die bilanziell je nach Ausgestaltung zwischen Eigen- und Fremdkapital einzuordnen sind, aber im Rating regelmäßig eigenkapitalähnlich behandelt werden. Vertragsgestaltung, Rangfragen, Informationsrechte und Kündigungsmöglichkeiten sind hier ein besonders sensibler rechtlicher Bereich.
Kreditsicherung und Kreditwürdigkeitsprüfung (Rating, Basel II/III/IV)
Kreditwürdigkeitsprüfung und Bilanzkennzahlen
Banken unterziehen Unternehmen im Rahmen der Kreditvergabe einer umfassenden Kreditwürdigkeitsprüfung. Diese stützt sich insbesondere auf:
- Jahresabschlüsse (Bilanz, GuV, Anhang, Lagebericht),
- betriebswirtschaftliche Kennzahlen (Eigenkapitalquote, Verschuldungsgrad, Anlagenintensität, Liquiditätskennzahlen, Rentabilität),
- Finanz- und Business-Pläne,
- qualitative Faktoren wie Managementqualität, Marktposition, Geschäftsmodell.
Über Rating-Verfahren – intern bei der Bank oder über externe Rating-Agenturen – wird das Unternehmen in Risikoklassen eingestuft. Die Vorgaben aus Basel II, Basel III und den jüngeren Basel-IV-Regelungen zielen darauf ab, die Kapitalunterlegung von Banken an das Risiko ihrer Kreditportfolien zu koppeln. Praktische Folge: Schlechtere Ratings führen zu höheren Zinsmargen oder zur Ablehnung von Krediten.
In Kreditverträgen finden sich häufig umfangreiche Klauseln zu:
- Informationspflichten des Kreditnehmers,
- Finanzkennzahlen-Covenants,
- Ausschüttungsbeschränkungen,
- Sicherheitenbestellungen und Nachbesicherungspflichten,
- Kündigungsrechten bei Verschlechterung der Vermögenslage.
Diese Klauseln sind juristisch komplex und sollten – aus unserer Sicht – niemals ungeprüft übernommen werden.
Kreditsicherheiten: Personal- und Realsicherheiten
Zur Absicherung ihrer Ansprüche verlangen Kreditgeber Sicherheiten. Zu unterscheiden sind:
- Personalsicherheiten:
- Bürgschaften,
- Garantien,
- Schuldübernahmen.
Hier tritt eine weitere Person (z. B. Gesellschafter, Muttergesellschaft) mit ihrem Vermögen ein. Aus haftungsrechtlicher Sicht können solche Sicherheiten weitreichende persönliche Risiken begründen – insbesondere bei unbeschränkten Bürgschaften oder Patronatserklärungen.
- Realsicherheiten:
- Pfandrechte an beweglichen Sachen oder Rechten,
- Sicherungsübereignungen (z. B. Maschinen, Fahrzeuge, Warenbestände),
- Forderungsabtretungen (Zession, Globalzession, Mantelzession),
- Grundpfandrechte (Grundschuld, Hypothek).
Die rechtlich saubere Bestellung, Rangfolge und Verwertung dieser Sicherheiten ist ein eigener, anspruchsvoller Rechtsbereich. Fehler bei der Sicherheitenbestellung können dazu führen, dass Sicherheiten im Insolvenzfall nicht durchgreifen oder angefochten werden. Umgekehrt können überzogene Sicherheitenstellungen mitunter als sittenwidrig oder als unzulässige Gläubigerbenachteiligung eingeordnet werden.
Fazit: Unternehmensfinanzierung ist immer auch eine Rechtsfrage
Unternehmensfinanzierung ist weit mehr als das Finden einer „günstigen“ Bank oder das Aushandeln eines Zinssatzes. Horizontale und vertikale Finanzierungsregeln, der Verschuldungsgrad und der Leverage-Effekt, die integrierte Kapitalbedarfsplanung, die Wahl der Finanzierungsinstrumente sowie die Ausgestaltung von Sicherheiten greifen unmittelbar in die rechtliche Struktur eines Unternehmens ein. Sie beeinflussen:
- Haftungsrisiken von Geschäftsführern, Vorständen und Gesellschaftern,
- die Insolvenzantragspflicht und deren zeitliche Schwelle,
- die Verhandlungsmacht gegenüber Banken und anderen Gläubigern,
- die Bewertung des Unternehmens bei Transaktionen und Nachfolgeregelungen.
Unsere Einschätzung: Wer Finanzierungsentscheidungen frühzeitig betriebswirtschaftlich und rechtlich durchdenkt, vermeidet spätere Konflikte, teure Umschuldungen und Haftungsdiskussionen.
Die Kanzlei HNG Natalello mit Standorten in Mainz und Alzey berät Unternehmen, Gesellschafter und Organe umfassend im Gesellschaftsrecht und Bankrecht – von der Strukturierung der Eigenkapitalbasis und der Gestaltung von Finanzierungs- und Sicherheitenverträgen bis hin zu Verhandlungen mit Kreditinstituten und der rechtlichen Begleitung von Sanierungs- und Restrukturierungsprozessen.
Wenn Sie Ihre Finanzierungsstruktur überprüfen, einen größeren Kreditvertrag verhandeln, eine Investition planen oder eine Sanierung vorbereiten möchten, unterstützen wir Sie gern – rechtlich fundiert, wirtschaftlich gedacht und mit Blick auf die langfristige Stabilität Ihres Unternehmens.
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