Absurd: Der Abfindungsanspruch! Den Anspruch, den jeder will, der aber eigentlich gar nicht existiert

 Vom Recht zur Abfindung, welches gar nicht existiert, zu Kündigungen, die eigentlich nicht rechtmäßig sind. In dem Blogbeitrag geht es um eine Absurdität des Arbeitsrechts.

Das deutsche Arbeitsrecht ist geprägt von Kündigungsschutzklagen; Klagen von Arbeitnehmern, die darauf abzielen das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses nach Ausspruch einer Kündigung feststellen zu lassen. Die Klage zielt darauf ab feststellen zu lassen, dass die Kündigung nicht wirksam ist und dass das Arbeitsverhältnis fortbesteht. Eine Rechtsfolge, die auch Arbeitnehmer – wenn Sie ehrlich zu sich selbst sind- in vielen Fällen gar nicht wollen. Eigentlich wollen sie eine Abfindung (häufig zurecht).  

Andererseits kündigen Arbeitnehmer, nicht weil ein Kündigungsgrund nach dem Kündigungsschutzgesetz vorliegt, sondern deshalb, weil der Mitarbeiter aus wirtschaftlichen oder persönlichen Gründen nicht mehr ins Unternehmen passt. Tatsächlich halten viele Kündigungen damit einer rechtlichen Überprüfung gar nicht stand, denn eine Kündigung eines Low Performers, ist ohne weiteres gar nicht möglich.

Warum werden also Kündigungen dennoch ausgesprochen?

Die Kündigung wird ausgesprochen, um den Arbeitnemer zu signalisieren. Ich will nicht mehr! Ich mache „Schluss“ mit dir.

Und was wollen nun Arbeitnehmer und Arbeitgeber wirklich?

Beide wollen im Grunde nach einer solchen Kündigung nicht mehr miteinander zusammenarbeiten. Wer will schon bei einem Betrieb arbeiten, der ihn gar nicht will. Ziel der Klagen ist daher eigentlich eine „sozialvertragliche Trennung“, also eine Trennung bei der der Einsatz des Arbeitnehmers für das Unternehmen und die drohende Gefahr für den Arbeitnehmer (Arbeitslosigkeit) durch Zahlung von Geld entschädigt wird. Es geht also im Grunde eigentlich immer um eine gerechte „Abfindung“.

Eine Rechtsfolge, die unser Arbeitsrecht in der aktuellen Form aber gar nicht vorsieht.

Dabei war dies in historischen Zeiten noch die klassische Rechtsfolge und es sollte dringend darüber nachgedacht werden, ob zur Entlastung von Gerichten und „heuchlerischen“ Sachvortrags vor Gericht  eine solche Rechtsfolge nicht wieder eingeführt wird.

Im Einzelnen:

Unser heutiges Kündigungsschutzgesetz stammt aus dem Jahr 1951 und war einer der Errungenschaften der noch jungen BRD. In den Lesungen zum Gesetz wurde vieles diskutiert, wie beispielsweise, ab welcher Betriebszugehörigkeit oder Betriebsgröße das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet.  Hierbei haben verschiedene politische Flügel wild diskutiert und kontroverse Debatten geführt. Im Einzelnen sehr gut nachlesbar in einer Veröffentlichung der Hans Böckler Stiftung zur Entstehung des Kündigungsschutzgesetzes (https://www.boeckler.de/fpdf/HBS-008425/p_hsi_schriften_44.pdf)

Nach dem Kündigungsschutzgesetz können bis heute Kündigungen nur aus „personenbedingten, verhaltensbedingten oder betriebsbedingten Gründen ausgesprochen werden. Heute braucht man also zur Scheidung vom Ehepartner – ausweislich des ehelichen Versprechens „ein Bund bis der Tod einen scheidet“ – keinen Grund, zur Trennung von Mitarbeitern aber schon.  

Dabei ist zu bedenken, dass der Grund vieler Kündigungen aber eigentlichen „Low-Performance“ oder „persönliche Diskrepanzen“ sind. Ein Grund, den das Kündigungsschutzgesetz nicht kennt. In diesen typischen Fällen ist die Kündigung also eigentlich rechtswidrig; sie wird aber dennoch ausgesprochen. Einzige Schutzmöglichkeit des Arbeitnehmers ist es nun innerhalb von drei Wochen eine Kündigungsschutzklage zu erheben. Mit dieser begehrt der Arbeitnehmer aber aus juristischer Sicht den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses.

„Gelingt es dem Arbeitgeber nicht, die Kündigung hinreichend zu rechtfertigen, so verliert er den Kündigungsschutzprozess und muss – nach der gesetzlichen Konzeption – die oder den Gekündigten (weiter)beschäftigen. Die Kündigung ist von vornherein als unwirksam anzusehen.“

Hans Böckler Stiftung –

(https://www.boeckler.de/fpdf/HBS-008425/p_hsi_schriften_44.pdf)

Das heißt also, der Arbeitnehmer muss weiter beim Arbeitgeber arbeiten und die Kündigung entfaltet keine Wirkung.

Dabei ist dies im Grunde gar nicht die gewollte Rechtsfolge. Anders als viele weitere Diskussionen wurde dieser Umstand aber gar nicht so intensiv bei der Gesetzesbegründung und den Lesungen diskutiert. Eine Diskussion die dringend nachgeholt werden sollte.

„Unter dem BRG galt noch der Grundsatz, dass der Arbeitgeber die Wiedereinstellung entschädigungspflichtig ablehnen konnte (§ 87 BRG). Gemäß des KSchG ist das Arbeitsverhältnis nur dann aufzulösen, wenn für eine Partei des Arbeitsvertrags die Beschäftigung nicht zumutbar ist (§ 9 Abs. 1 KSchG). Dahingegen waren die übergreifenden Grundsätze des materiellen Kündigungsschutzes, wie sie heute bekannt sind, das Ultima-Ratio-Prinzip und das Prognoseprinzip, zwar bereits im KSchG angelegt, erst im Nachgang durch Wissenschaft und Rechtsprechung ausgeformt worden.

Die Ironie der Geschichte wollte es allerdings, dass dieser von den Arbeitgebern so sehnlich wie vergeblich gewünschte Inhalt des Gesetzes auf ganz anderem Wege Wirklichkeit wurde: Die Praxis mit dem KSchG sollte nämlich erweisen, dass ein Kündigungsschutzprozess sich ganz überwiegend nicht als Kampf um den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses darstellte, sondern als ein solcher um die Höhe einer vergleichsweise erzielten Abfindung. Der Grund liegt außerhalb der rechtlichen Substanz des KSchG selbst unter anderem darin, dass es keinen ausreichenden Weiterbeschäftigungsanspruch für einen gekündigten Arbeitnehmer gibt.“

Hans Böckler Stiftung –

(https://www.boeckler.de/fpdf/HBS-008425/p_hsi_schriften_44.pdf)

Tatsache ist also, die gelebte Praxis ist die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung. Das Recht will aber die Weiterbeschäftigung.

Dies würde im Ergebnis dazu führen, dass Menschen auf Arbeitsplätzen verweilen, obwohl ihr Vorgesetzter sie nicht haben will. Gleichsam müht sich der Arbeitnehmer täglich zu einem Job, obwohl er an diesem Arbeitsplatz sein eigentliches Potential gar nicht entfalten kann. Welch verlorenes gesellschaftliches Potential in Zeiten in denen Arbeitskräfte so dringend benötigt werden.

Stattdessen führe ich jährliche über hundert arbeitsrechtliche Verfahren, in welchen es am Ende gar nicht um die Weiterbeschäftigung, sondern die Höhe der Abfindung geht.

Dabei hatte die frühere Rechtslage unter § 87 BRG von 1920 doch so eine vernünftige Regelung bereits erlassen:

Damals konnte der Arbeitgeber entscheiden, ob er den Mitarbeiter bei einer unberechtigten Kündigung abfindet oder fortbeschäftigt. Bei einer Abfindung knüpfte der Betrag an die Dauer der Betriebszugehörigkeit an:

  • pro Beschäftigungsjahr bis zu 1/12 des letzten Jahresarbeitsverdienstes,
  • insgesamt höchstens sechs Zwölftel(also ein halbes Jahresgehalt als Obergrenze).

Bei der Höhe waren ausdrücklich zu berücksichtigen:

  • die wirtschaftliche Lage des Arbeitnehmersund
  • die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers.

 

Ist es nicht Zeit eine solche Regelung wieder einzuführen?

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