
Was Geschäftsführer unbedingt wissen sollten – rechtliche Pflichten, persönliche Haftungsrisiken und praktische Handlungsempfehlungen
In wirtschaftlich angespannten Zeiten geraten auch solide aufgestellte Unternehmen in finanzielle Schieflagen. Für Geschäftsführer bedeutet dies nicht nur unternehmerische Verantwortung – sondern auch ganz erhebliche persönliche Haftungsrisiken. Sobald eine Gesellschaft zahlungsunfähig oder überschuldet ist, gelten strenge gesetzliche Pflichten. Wer diese versäumt, riskiert eine zivilrechtliche, strafrechtliche und sogar steuerrechtliche Haftung.
1. Gesetzliche Pflichten bei Insolvenzreife
Die zentrale Vorschrift ist § 15a InsO (Insolvenzordnung). Danach sind Geschäftsführer verpflichtet, bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft ohne schuldhaftes Zögern, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen, einen Insolvenzantrag beim zuständigen Insolvenzgericht zu stellen.
Wann liegt Zahlungsunfähigkeit vor?
Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 InsO liegt vor, wenn die Gesellschaft nicht in der Lage ist, ihre fälligen Verbindlichkeiten zu erfüllen, also mehr als 10 % der fälligen Gesamtverbindlichkeiten nicht binnen drei Wochen begleichen kann.
Wann ist eine Gesellschaft überschuldet?
Überschuldung nach § 19 InsO ist gegeben, wenn das Vermögen der Gesellschaft die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich (sog. Fortführungsprognose).
2. Persönliche Haftung der Geschäftsführung
Verletzt ein Geschäftsführer diese Pflichten, kann dies massive zivilrechtliche und strafrechtliche Folgen nach sich ziehen.
a) Haftung gegenüber der Gesellschaft (§ 43 Abs. 2 GmbHG)
Geschäftsführer haften der Gesellschaft persönlich auf Schadensersatz, wenn sie bei Insolvenzreife weiter Zahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen leisten (§ 64 GmbHG a.F., jetzt § 15b InsO). Dies betrifft insbesondere:
- Zahlungen an Lieferanten oder Geschäftspartner
- Löhne und Gehälter
- Miete und Leasingraten
- Steuern und Sozialabgaben
b) Haftung gegenüber Dritten
Auch Gläubiger der Gesellschaft können unter bestimmten Umständen Ansprüche direkt gegen den Geschäftsführer geltend machen, etwa bei:
- vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB)
- Verletzung von Schutzgesetzen (§ 823 Abs. 2 BGB)
Insbesondere kann es zur persönlichen Inanspruchnahme kommen, wenn durch verspätete Antragstellung Vermögenswerte der Gesellschaft verlagert oder beiseite geschafft werden.
3. Strafrechtliche Risiken
Neben der zivilrechtlichen Haftung droht auch eine strafrechtliche Verfolgung nach:
- § 15a InsO (Verzögerung der Insolvenzantragstellung)
- §§ 283 ff. StGB (Insolvenzstraftaten wie Bankrott, Gläubigerbegünstigung oder Verletzung der Buchführungspflicht)
- § 266 StGB (Untreue)
Strafen reichen von Geldstrafe bis zu Freiheitsstrafen, teils mit Mindeststrafandrohung.
4. Steuerrechtliche Risiken – Haftung nach AO
Geschäftsführer haften zudem nach § 69 AO (Abgabenordnung), wenn steuerliche Pflichten verletzt werden – insbesondere bei verspäteter Abführung von Lohnsteuer oder Umsatzsteuer in der Krise. Diese Pflichten genießen Vorrang vor anderen Zahlungsverpflichtungen.
5. Prävention: Wie Geschäftsführer sich absichern können
a) Liquiditätsplanung und Krisenfrüherkennung
Eine laufende Liquiditätsplanung und ein funktionierendes Controlling-System sind unerlässlich. Bereits bei Anzeichen einer Krise (z. B. schleppende Zahlungseingänge, Rückstände bei Sozialabgaben, stockende Kreditlinien) sollten rechtzeitig externe Berater eingeschaltet werden.
b) Dokumentation der Geschäftsführungstätigkeit
Alle geschäftsrelevanten Entscheidungen – insbesondere Zahlungen nach Eintritt der Krise – sollten sorgfältig dokumentiert werden. Dies dient im Haftungsfall als Beweismittel für ein pflichtgemäßes Verhalten.
c) Frühe insolvenzrechtliche Prüfung
Es empfiehlt sich, regelmäßig eine Fortbestehensprognose und Überschuldungsprüfung durch den Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer einzuholen. Gerade bei Kapitalgesellschaften mit starkem Finanzierungsbedarf kann diese rechtzeitig Klarheit über mögliche Antragspflichten schaffen.
d) Rechtliche Beratung einholen
Bei Unsicherheiten zur Insolvenzreife oder zur Zulässigkeit einzelner Zahlungen ist eine unverzügliche rechtliche Prüfung durch im Gesellschaftsrecht versierte Rechtsanwälte unerlässlich. Nur so lässt sich die persönliche Haftung wirksam vermeiden.
6. Fazit: Geschäftsführer sollten rechtzeitig handeln
Geschäftsführer tragen in Krisensituationen eine hohe Verantwortung – für das Unternehmen, für die Mitarbeiter, aber auch für sich selbst. Wer Warnsignale ignoriert oder bei Zahlungsunfähigkeit untätig bleibt, riskiert nicht nur den wirtschaftlichen Zusammenbruch der Gesellschaft, sondern auch seine private Existenz.
Die rechtzeitige Konsultation spezialisierter Rechtsanwälte ist daher keine Option, sondern Pflicht.
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Rechtsanwältin Sinem Tükek und Rechtsanwalt Dr. André Natalello verfügen über langjährige Erfahrung im Gesellschaftsrecht und unterstützen Geschäftsführer, Gesellschafter und Unternehmen in sämtlichen Krisen- und Haftungsfragen. Von der Analyse der Insolvenzreife über das strategische Krisenmanagement bis hin zur Vertretung in Haftungsverfahren – wir stehen Ihnen mit juristischer Präzision und unternehmerischem Verständnis zur Seite.
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